Auberginen am Balkon – ein Plädoyer für Urban Gardening

Ein letztes Mal streichelte ich der Katze über den Kopf, sah mich suchend nach Vergessenem um und warf einen letzten Blick in den Garten. Es versetzte mir einen Stich, all mein Gemüse zu verlassen. In diesem Moment wurde mir bewusst wie sehr mir meine Pflanzen ans Herz gewachsen waren. Und dass es ganz und gar keine Gute Idee ist im August drei Wochen auf Urlaub zu fahren, wenn die angepflanzten Gemüsesorten ihre Haupterntezeit haben.

 

Doch mal von Anfang an. Seit ein paar Jahren gefiel mir der Gedanke, mein eigenes Gemüse anzupflanzen. Doch ich war schlichtweg zu faul und zu unentschlossen es in Angriff zu nehmen.

Als ich mich aber Frühjahr 2017 beim Schaugarten der Arche Noah in Schiltern wiederfand, konnte ich all den Jungpflanzen nicht widerstehen.
So kamen wir mit vollem Kofferraum in Wien an, nur um gleich wieder los und erneut das Auto vollzuladen – diesmal mit Töpfen und Erde.

Die folgenden Monate waren wie mit Neugeborenen, ich lernte ihre Zeichen zu deuten und ihre Bedürfnisse kennen und vor allem eins – sie zu lieben.
Die meisten setzte ich in Töpfe auf die Terrasse, ein paar auf den Balkon. Man braucht gar keinen (großen) Garten, ein paar Quadratmeter an der frischen Luft genügen.

Es soll in diesem Beitrag aber nicht nur um meine „Lovestory Pflanzen“ gehen, ich möchte euch näher bringen, warum ich Urban Gardening so wert- und sinnvoll finde und von meinen Erfahrungen erzählen.

Mit der Natur im Einklang – für dich und die Umwelt

Ich bin ein Stadtkind.
Auch, wenn ich als Kind gern im Wald war, bin ich der Natur entfremdet – ich weiß nicht, wie die Pflanze einer Aubergine aussieht, ob man Süßkartoffelblätter essen kann oder wann Mangold blüht. Und ich lehne mich mal so weit aus dem Fenster und sage – du wahrscheinlich auch nicht.
Versteh mich nicht falsch, ich liebe die Stadt, ihre Straßen und Kultur.
Doch es bringt soviel Freude wieder etwas von der Natur zu erfahren.
Einmal nicht zu googeln, Fachbücher zu wälzen, sondern einfach durch Beobachten und Fühlen zu lernen.
Kein Wunder, dass wir unsere Umwelt zerstören, wenn sie uns so fremd geworden ist.
Wie wollen wir saisonal und regional einkaufen, wenn wir eigentlich gar nicht wissen, was wo wann wächst ?
Ich nehme mich da gar nicht aus, ich weiß über vieles nicht Bescheid.
Doch seit Frühjahr habe ich einiges gelernt – man kann Süßkartoffelblätter essen, Auberginenpflanzen haben Stacheln und große Blätter und wenn Mangold blüht, enthalten seine Blätter so viel Oxalsäure, dass vom Verzehr abgeraten wird.

Es ist nicht nur schön der Natur beim Wachsen zuzusehen, sondern dies kann auch unser Leben so beeinflussen, das wir aus guten Wissen heraus nachhaltiger handeln können.
Ich würde auch sagen, wir fühlen uns nicht nur der Natur dadurch näher, sondern auch uns selber, aber das gerät jetzt schon in spirituelle Bahnen.

Auszeit – Endlich mal  wieder spüren statt denken und den Stress loslassen

Als ich meine Hände in die frische Erde grub, fühlte ich mich plötzlich sehr glücklich und zufrieden. Ich sorgte für meine jungen Pflänzchen, gab ihnen Raum zum Wachsen.
Abends tat dann zwar mein Rücken etwas weh, vom Heben der schweren Erde, aber ich konnte wirklich sehen was ich geschafft hatte.
Vielleicht bin ich produktiver, wenn ich lerne oder schreibe – aber abends sieht dann der Schreibtisch gleich aus, vielleicht ist ein Dokument mehr am Desktop, aber das wars.
Arbeitet man hingegen im Garten, sieht man die Spuren, das Ergebnis.
Es ist ein wunderbarer Ausgleich zu unserem verkopften Alltag.

Doch nicht nur das „Danach“ spricht für Arbeit mit Pflanzen. Währenddessen werden alle Sinne angesprochen, das Gefühl der Erde in den Händen, der Duft der Kräuter in der Nase, die Sonnenstrahlen im Gesicht, das Knistern, wenn sich trockene Erde mit Wasser tränkt.
So können wir aus dem Alltagsstress austreten und die Gedanken ein wenig zur Ruhe bringen.
Die meisten von uns verbringen zu viel Zeit drinnen, ich auch. Da tut es einfach gut an die frische Luft zu kommen. Der mentalen Gesundheit kommt das auch zugute.
Es spricht also auf seelischer, gedanklicher und physischer Ebene viel für Arbeit mit Pflanzen.

Frische Gemüse Ernte

Doch das wohl offensichtlichste – das Gemüse!
Die meisten Zutaten die in unserer Küche landen, haben einen weiten Weg hinter sich und schmecken dementsprechend. Viele wissen gar nicht mehr, wie gut frisches Gemüse schmeckt. Junge Aubergine, knackiger Mangold, sonnenwarme Tomaten – hach.
Durch eigenen Anbau können wir aber nicht nur die Frische garantieren, sondern auch deren Qualität und Aufzucht. Wir wissen genau ob Düngemittel verwendet wurde, wer alles schon seine Finger dran hatte und und und.
Es macht einfach Freude das eigene Gemüse zu kochen!

Gemüse wieder wertschätzen lernen

Seitdem ich eigenes Gemüse gezogen habe, schätze ich die Arbeit dahinter viel mehr. Lebensmittelverschwendung ist ein großes Umweltproblem – ich glaube, wir verschwenden unser Essen so freizügig, weil uns die Wertschätzung fehlt.
Hat man aber selber Arbeit rein gesteckt, bringt man es fast nicht über’s Herz das Gemüse zu verschwenden.

Ich wollte es auch immer so pur wie möglich verarbeiten, es in seiner ursprünglichen Form schmecken.
Durch Gemüseanbau können wir also wieder Nähe zu unseren Lebensmitteln und deren Herstellung schaffen und Freude an frischem, gesundem Essen finden.
Das natürlich auch die Transportwege und die Verpackung wegfällt ist eine gute Sache für die Umwelt.

Ästhetik und Sortenvielfalt

Nicht nur geschmacklich, sondern auch optisch macht sich Gemüse gut. Der pinke Amaranth, die sich rankende Süßkartoffel und die kleinen weißen Erdbeerblüten.
Es ist auch besonders schön all die verschiedenen alten Sorten anzusehen und zu pflanzen. Das wiederum fördert den Erhalt der Sortenvielfalt und ist somit gut für die Umwelt.
Wenn euch dieses Thema interessiert schaut doch mal in meine Abschlussarbeit rein.

Das sind nur einige der Vorteile, die Gemüseanbau hat. Ihr merkt, für mich ist es mehr als nur das Endprodukt.

Von Eisheiligen und Dünger – How to Gemüse anpflanzen 

Nach dem ganzen Warum, kommen wir jetzt zum Wie.
Ich bin wirklich kein Profi und mein Daumen ist kein grüner, aber durch Beobachten und Tun lernt man. Die meisten Pflanzen habe ich bei der Arche Noah in Schiltern als Jungpflanzen gekauft.

Es ist zwar schon ein Stückchen von Wien, aber mir gefällt es dort so gut, dass es sich für mich ausgezahlt hat. Dort findet man viele verschiedene Sorten, in gutem Zustand. Selbst simple Petersilie von dort ist nicht mit Exemplaren zu vergleichen die ich in Wien gesichtet habe.
Mich hat es sogar zweimal dort hin verschlagen, das zweite mal zur Messe der Jungpflanzen Aussteller am 1. Mai. Dort tummeln sich dann noch ausgefallenere Sorten, es gibt Verpflegung und es ist gesteckt voll – aber schön!
Jedenfalls sind die Jungpflanzen bei mir gut gewachsen.
Nächstes Jahr würde ich allerdings gerne mehr mit Samen arbeiten, aus reiner Neugier. Denn selbst aus den Grünkohlsamen aus dem Baumarkt sind schöne Blätter gewachsen, trotz meiner anfänglichen Skepsis.
Den Prozess von kleinem unscheinbar, fast tot wirkendem Samen zum ersten kleinen Blatt und dann der starken Pflanze begeistert und verwundert mich immer aufs Neue.
Die kleinen Pflanzen tauchte ich zum Wässern immer in eine große Schüssel bis keine Luftblasen mehr aufstiegen. Bald topfte ich sie um. Vor den Eisheiligen musste ich sie dann manchmal reinholen, doch zu den speziellen Kaltempfinden finden sich etliche Informationen online.

Ich habe angepflanzt:

Mangold – mein größter Erfolg macht den Anfang. Gekauft hatte ich ihn wegen seiner tollen farbigen Stängel, nie hätte ich geahnt, wie gut er sich entwickeln würde. Angepflanzt in einem großen Topf wuchs er prächtig und ich konnte häufig ernten – eine richtige Freude. Mangold ist sehr zehrend und sollte dementsprechend häufig gedüngt werden. Ich hatte dazu einen vom Bioladen, der gut funktionierte. Sonst war er pflegeleicht.

Tomaten – ich habe zweierlei Tomaten – Black Cherry und gelbe Dattelwein. Beide schossen förmlich in die Höhe. Leider habe ich ein wenig spät herausgefunden, dass man sie ausgeizen muss, also wenn zwei Zweige wachsen und einer zwischen ihnen kommt, muss dieser entfernt werden. Vielleicht wären sie so ertragreicher, nun ja, „learning by doing“…
Tomaten sind auch zehrend und müssen vor Wind und Regen beschützt werden, damit die Früchte dann nicht platzen. Ausserdem benötigen sie eine Kletterhilfe.

Aubergine – ich war besonders traurig mein kleines Auberginchen zurückzulassen, das gerade reif wurde. Lange passierte nichts, doch plötzlich kamen die Blüten und ich konnte am Abreisetag meine erste Babyaubgerine essen – sie war so wunderbar zart. Es gibt viele Auberginenarten, die wir nie zu Gesicht bekommen. Ich habe zum Beispiel lange dünne.
Fazit – Aubergine im Topf, das geht.

Süßkartoffel – Süßkartoffel ist eines der Gemüse, die ich sehr gerne habe, aber selten esse, weil sie weite Transportwege hinter sich hat. Umso erstaunter war ich, als mir der Biobauer am Naschmarkt erzählte, sie wachsen bei ihm in Stadtnähe wie Unkraut. Also baute ich meine eigenen an. Ob sie was geworden sind ? Das wird sich noch zeigen. Doch die Blätter ranken sich über unsere Terrasse und können angeblich wie Spinat verzehrt werden – Bericht folgt.

Roter Neuseelandspinat – ein lustiger, wilder, das ist der Neuseelandspinat. Ganz harmlos sah er aus, als ich in einsetzte. Doch bald bahnte er sich seinen Weg, weit über den Topfrand hinaus. Lauter kleine, feine Blätter – aber zahlreich! Er ist perfekt für Salate, wenn auch etwas mühsam zu ernten. Wie gesagt, er liebt die Freiheit.

Malabarspinat – Malabaspinat ist da schon ganz anders. Dicke dunkel rote Stängel winden sich an seiner Kletterhilfe hinauf. An ihnen dunkle feste Blätter. Dieser ist eher für’s Kochen geeignet, speziell die großen Blätter.

Grünkohl – ich weiß ich oute mich somit als Health Freak und Hipster, aber ich liebe Grünkohl. Er ist einfach so vitaminreich. Massiert im Salat (kein Scherz, so wird er weich) oder knusprig aus dem Ofen – mmh. Gerade die jungen Blätter sind noch schön zart für den Salat. Ach – und er wächst ganz problemlos und ist nicht anspruchsvoll.

Erdbeeren- ich habe mir eine alte Sorte heraus gesucht, doch leider wuchsen sie nicht so gut – nächstes Jahr, nächster Versuch.

Amaranth – Amaranth ist uns als Getreide bekannt. Welche Pflanze dahinter steckt weiß fast niemand. Aus Spaß nahm ich sie mit – bis jetzt habe ich noch nicht geerntet, aber sie strahlt so ein intensives, tiefes Pink aus, von dem ich nicht wusste das Pflanzen das können.


Weitere Kräuter die ich gepflanzt und in der Küche lieben gelernt habe sind:

  • Blutampfer
  • Thai Basilikum
  • Zimt Basilikum 
  • Afrikanische Minze 
  • Zitronenverbene 
  • Organgenthymian 
  • Zitronenthymian 
  • Oregano 
  • Majoran 
  • Brunnenkresse 
  • Currykraut – riecht unglaublich gut nach Curry
  • Koriander – ich liiebe Koriander
  • Schnittlauch 

Blutampfer

Brunnenkresse

Zitronenverbene

Koriander

Verschiedene Thymiansorten

Mein Fazit aus dem Selbstexperiment Gemüse ist also:

es hat viele schöne Auswirkungen auf unser Leben und die Umwelt,
es ist einfacher als gedacht – fast alles lässt sich in Töpfen anbauen,
es ist eine Freude dem eigenen Gemüse beim Wachsen zuzusehen und es dann zu genießen.

Warning:
Es können Gefühle für die Pflanzen aufkommen, die den Urlaub erschweren.

Ich hoffe euch hiermit Lust aufs Gärtnern gemacht und einen kleinen Einblick in meine Töpfe gegeben zu haben. Sollten Fragen auftauchen – schreibt mir einfach.
Auf nächstes Jahr voller neuer Gemüse-Entdeckungen.

Kategorie Kopf, Nachhaltigkeit

Atmet und schläft in Wien. Arbeitet ebenda auch manchmal. An Illustrationen, Fisimatenten oder daran endlich die richtige Müllsack Größe zu kaufen. Macht manchen Sorgen und sich eine große Freude mit dem Studium der Sprachkunst. Schreibt über Fliederlila, Stromausfälle und Zitronenschaum. Irgendwas im Internet, ihre Oma ist sich da nicht so sicher, unter urbananouk.com. Mag Pfirsiche, aber nur die flachen.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

*