Leise und leicht

Es regnet. Ich schreibe mich aus, lese es vier mal, sende es einmal meiner Mama per E-Mail und gieße den Kaktus. Sitze am Klo und frage mich, was habe ich noch zu sagen habe. Das Leben ist leise. Vielleicht etwas zu Ehrlichkeit. Oder zu Nähe.
Es klingelt, R. bringt mir meine Lieblingsnudeln mit und wir sitzen am Sofa. Ich habe auch keine Antworten, aber wir sind jetzt beide da und trinken Tee.
Ich denke an unsere Gespräche, als ich nachts um 3 Wäsche zur Beruhigung aufhängte und sie im Zug saß irgendwo in Australien.

Abends esse ich komische Kombinationen aus meinem Kühlschrank, öffne einen Hosenknopf und lege mich quer ins Bett. Du erzählst mir von deinem Tag und dann muss ich auch schon los.

Ich sitze auf dem einzelnen Platz in Fahrtrichtung und lese. Die Sätze sind kurz, ich hätte gern einen Leuchtstift.
Bei der Garderobe warte ich. Mein Blick verhakt sich in einen Typ mit Mütze. Sie hört kurz über den Ohren auf. Die Mütze. Ich muss an eine Krone denken. Dann fällt es mir ein. Bist du der, mit dem roten Umhang auf OkCupid würde ich gern fragen. Bin mir zu 87 % sicher. Zahlen waren noch nie meine Stärke.

Wir stehen an eine Wand gelehnt. Sie trägt roten Lippenstift und sieht schön aus. Beim Erzählen vergesse ich mein Gesicht, kann es beim Reden nicht spüren, die Worte fliegen ohne mich. Ich kann ihnen dabei zusehen. Versuche mich zu erinnern, wie meine Lippen aussehen, zu hören wie meine Stimme klingt. Er studiert Informatik, sagt sie. Menschen reden jetzt mit mir über Liebe, ich muss nicht mehr mit den Schultern zucken.

Neben mir tanzt eine ältere Frau mit ihren Ellbogen. Es sieht ein bisschen aus, als würde sie schnell Schlittschuh laufen. Ich grinse ein bisschen und ein bisschen würde ich mich auch gerne so fühlen können.

Wien ist klein, sage ich jetzt zum vierten Mal die Woche. Nah bei der Bühne sehe ich meinen Babysitter von früher. Er hat jetzt keinen Stimmbruch mehr, sondern eine Freundin, die wie Hashtag Powerfrau aussieht. Sie trägt ihre Haare im Nacken geknotet, eine Strähne fällt hinaus, sie hat heute bestimmt einen wilden Tag. Einfach mal die Sau rauslassen, aber nach Kalendereintrag.
Der Mann vor mir riecht nach Second Hand Shop und alter Adidasjacke.
Mine wirft die Hände ich die Luft, ich wäre auch gerne einmal so leicht. Überlege, ob ich dazu auch einen Leopardenkimono bräuchte. Traue mich meine Hände nur bis zur Brust zu heben. Mine ruft lit. Oder vielleicht muss ich mehr schwarz tragen. Ich habe Lust auf tanzen. Oder eine Brille. Meine Haare sind schon wieder so lang. Der Babysitter fühlt die Musik hart. Ich schließe die Augen und schüttle den Kopf langsam.

Es regnet immer noch. Ich fotografiere rosa Stühle. Im Bett schreibe ich eine Liste mit coolen Frauen.

Mine
Margarete Stokowski
Marie Luise Lehner
Ekaterina Heider
Meine Therapeutin
Helene Bukowski

Kategorie Geschichten, Kopf

Atmet und schläft in Wien. Arbeitet ebenda auch manchmal. An Illustrationen, Fisimatenten oder daran endlich die richtige Müllsack Größe zu kaufen. Macht manchen Sorgen und sich eine große Freude mit dem Studium der Sprachkunst. Schreibt über Fliederlila, Stromausfälle und Zitronenschaum. Irgendwas im Internet, ihre Oma ist sich da nicht so sicher, unter urbananouk.com. Mag Pfirsiche, aber nur die flachen.

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