Wien, lass mich von deiner Gemütlichkeit atmen

Wiener Stadtgeflüster – auch dieser Text entstand bei einem Schreibspaziergang von Writing Wilderness.
Diesmal, am Fuße der Karlskirche, Wien zeigte sich in melodramatischem Sonnenuntergang, hielt uns Anna an der Stadt einen Brief zu schreiben.
Also tat ich das, mit dem abendlichen Glockenläuten im Ohr.

Wien, du gespaltene Persönlichkeit zwischen Schlagobershaube und Floridsdorf.
Lange hatte ich das Gefühl, du leutest deine triumphalen Glocken nicht für mich und jetzt, am Ausläufer der Karlskirche, schleicht sich ein vielleicht ein.
Wien, du bist mein Zuhause, das ich erkenne, wenn ich weg war.
Ich hab mir deine Ecken ins Herz gelaufen und doch scheint noch so viel unter meinen Füßen verborgen. Es fühlt sich an, als könnte ich deinen Grund nie greifen, du formst nicht meine Zunge und doch bist du alles an Erinnerung und Geborgenheit was ich habe.
Neu erleben werde ich dich, neu umrunden, Gedenken verstreuen und Geschichten in die Straßen laufen.
Vielleicht werde ich dir einmal untreu, um es mir zu bleiben.
Vielleicht spuckst du mich auch einmal aus deinen Mauern. Doch was bleibt ist das Heute, das Morgen.
Sei ned goschert, lass mich wachsen in und aus dir. Ich hebe doch ein Stückchen Liebe am Boden meines Brustkorbs für dich, nicht größer als a Sahneschnitte, aber weißt eh, die ist deftig genug. Ich halte dich in Aug und Ohr.
Du bist Grund, aber vielleicht auch nur Boden für Zukunft, denn ich bin ich und du du, die Fäden dazwischen dünn und  doch eisern mit Sprungfeder in der Hinterhand.
Heimvorteil und Auslandsspiel in einem, vereint unter Prunk und Beton.
Lass mich von deiner Gemütlichkeit atmen, aber lass mich nicht erschweren unter deiner Last, die nicht die meine ist. Die trage ich selber im Gepäck, doch vielleicht lass ich es stehen, bis jemand seines daneben stellt und wir gemeinsam rennen ins Neue und auch, wenn ich es selber bin, die mir die Hand reicht. //

Als passender Soundtrack würde sich hier Der letzte Kaiser von Wiener Blond anbieten.
Was würdest du gerne deiner Stadt mal vor die Füße werfen und aus dem Herz kippen?

Kategorie Gedanken, Kopf

Atmet und schläft in Wien. Arbeitet ebenda auch manchmal. An Illustrationen, Fisimatenten oder daran endlich die richtige Müllsack Größe zu kaufen. Macht manchen Sorgen und sich eine große Freude mit dem Studium der Sprachkunst. Schreibt über Fliederlila, Stromausfälle und Zitronenschaum. Irgendwas im Internet, ihre Oma ist sich da nicht so sicher, unter urbananouk.com. Mag Pfirsiche, aber nur die flachen.

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