Kategorie: Kopf

Gelegenheiten

ich will renates rote rüben reiben
mit meiner zunge, zwischen zahngeröll
stiegenhauskreise keuchen bis zum dachboden
ich will nicht stolpern, aber ich will die gelegenheit dazu eröffnen
ich glaub du hattest meinen schlüssel ausgeliehen
excuse me
but I’m searching
und du verstellst mir die sicht
herst oida
atmen, blau, atmen
we’ve got this
im zwei tagesrhythmus
danke, ich helf mir selber,
aber da,
halt mal kurz mein gepäck

Ich bin kurz die Zeit / Berlin

einfach nur da sein. berlin.
– Marion, Himmel über Berlin


I.
manchmal muss man weglaufen um anzukommen. und manchmal einfach nur um wegzulaufen. man muss das dableiben mit dasein tauschen und dazu braucht es ein weg und vor allem ein laufen.

Maybachufer

ein mann trägt seinen schnauzer spazieren, die sonne klebt sich an die finger, genau da, wo das getränk übergeschwappt war. der kanal fließt schwarz und schlierig, ein tabakpackerl obenauf. die schwäne schnappen nach touristen fotos, die luft riecht warm. ein bisschen nach gras, zucker und schweiß. daneben verklebt sich die grenze zwischen donutglasur und lippenstift pink, ein krümel landet irgendwo zwischen baumelnden busen und bauchtasche, die nägel sind noch ein stück abgefressener als die zigarette.
irgendwo zwischen vollurkorngetreide und einmal m13 bitte tauen die knöchel wieder auf. frühling. eine frau trägt augenbrauen, sie sind fragender als ich gegen ein uhr nachts. ich laufe weiter, das geht hier im schritttempo, sonst stolpert man über augen, in denen man hängen bleiben möchte. aus dem fotoautomaten kommt auch kein neues gesicht.
in himmel über berlin sagt sie einsamkeit heißt ich bin jetzt ganz und manchmal fällt einem erst beim einatmen auf, wie lang man es vergessen hatte. freitags dürfen ungewissheiten gerade stehen und solange man läuft, läuft mögliches mit. da oder da.

Kreuzberg


das das das ding is
voll voll voll
– stirnfransen flattern
krass ey
voll voll voll
– das bier wird leer
in der bubble bubububble
voll
– beinhaare schlackern
i`m not doing berghain
ey ich hab kein money
– nagellack blättert
oah krass
total
– ein hund
boah süß
voll voll voll

Charlottenburg


im siebten stock hängt jemand wäsche an die luft. sie bleibt hängen im frühling, den sich alle vergewissern und dann den kopf schütteln, viel zu früh, viel, kann nicht sein, um dann ein leises hach in den ärmel zu murmeln.
die glocken schlagen sicherheit in den tag, zwölf, laut und deutlich, bevor alles wieder zerrinnt. in meinem kaffee fliegen flocken. schwimmen, fliegen unter wasser. die reise ist ein bisschen wie fliegen unter wasser. schwimmen wird zu fliegen.
links, in einem auto sind die kopfstützen mit stoff überzogen, bremsen mit blumen an kopf.
jemand, der lautstärke zu urteilen, etwas, bohrt durch die ganze straße. irgendwann muss neu ja hergestellt werden. doch die sonne ist stärker. um die ecke rauchen sich jungen die kindheit aus der lunge und husten nur heimlich.
über die schwelle stehe ich zwischen kaugummi, kisten, zwischen blau und gelb. dreimal österreich, bitte. 90, hier. vor mir liegt dreimal johanniskraut und ein schwämmchen. meine finger greifen stotternd danach und verschwinden im schwamm. die bleiben gleich hier? ja, danke. ich stehe wieder auf der straße. denke an dich, unsere haare sind jetzt gleich lang und du redest von der prüderie der post.

Markthalle


die einen trinken mate, die anderen austern. ein ehepaar macht fotos vor dem kleinen wagen, daneben stehen die jungen vor einem fotoautomat. ich bin in der mitte des brötchens, der mann gegenüber knüllt sein papier schon zusammen und geht. sonst esse ich immer am schnellsten, aber ich denke an dich. du hast aufgehört meine nase zu küssen.

Kottbusser Tor


wie jedes mal bleibt mein blick am perspektivenfehler des ubahnfensters hängen. ein mann, den man ohne risiko alt nennen kann, nickt seiner frau zu. sie atmen ein und stehen wie mit kaugummi in den gelenken auf. er trägt diese schuhe, mit kleiner beule an der großen zehe. ich fühle mich kurz sicher.
ich suche nach blauen haaren, es sind viele. ich komme zu dir, roter mantel, schreibt sie mir, wir finden uns. ich weiß nicht wie sie heißt, klatsche mein herz auf den boden, dann frage ich nach.
unter den ubahn bögen redet eine bomberjacke auf mom jeans ein. mansplaining bleibt mansplaining, egal wie vintage das rad unter seinem handgelenk ist.
alle haben hier voll die connection und ich nur lust auf gesichter.

Nollendorfplatz

ein „ich hol dich ab“, nach einem feuerwerkstag im uterus. blutsturzausbruch. 

Halensee


beim einsteigen halte ich jetzt schon das kärtchen hoch, bin ein wenig enttäuscht, der busfahrer sieht nicht hin. steige die treppen hoch. du schreibst mir wieder. „der bus endet hier.“ ich lese nur dich. „auch die dame im obergeschoss darf jetzt aussteigen“, ich renne die treppen hinunter und sehe ja nicht hin. es wäre lächerlich jetzt zu weinen. wäre wird ist. es ist ein bisschen kalt. ich warte auf den nächsten bus. ein mann versucht vorne auszusteigen, ich lächle kurz, das habe ich schon gelernt.

Moabit


die zeit wird alles heilen, aber was ist, wenn die zeit selbst die krankheit ist, fragt marion. ich kann meine wunde nicht finden. sehe nur tropfen, wenn ich mich umdrehe.
zehn tulpen kosten hier nur drei euro in ubahn schlingen. neben einem hochhaus steht eine tanne und wirft kratzige schatten.
ich fotografiere mich in spiegelungen. bitte sich festzuhalten. trinke einen kaffee und betrachte meinen daumen. der ist so da, wie du es niemals warst. ich weiß gar nicht, wie beweglich deiner ist, es war zu kurz.
ich trinke einen zweiten kaffee bis mein kopf dröhnt.
mit dem letzten stück kuchen wird für einen moment alles gut.
ich zähle die sprenkel am boden der sbahn. die ampeln sind hier lange grün. ich bin kurz die zeit.

Tegel

die anzeige sagt guten flug und ich möchte sie fragen, woher sie weiß, dass ich mich für einen guten flug entschieden habe.
business class – ist das das mit der beinfreiheit, fragt ein mann seine frau. sie trägt eine tasche aus reißverschluss. eine von denen, die 2010 was ganz flott neues in bastelläden waren.
im getränkeautomat kostet aus der ferne alles 88,88, eckige stichansammlungen zwischen sprudel und zucker.
irgendwo quietschen cros über den flur, ich frage eine dame ob sie auf meinen mantel aufpassen kann. nenne sie dame in meinem kopf, damit ich ihr vertraue. klotüren die nach innen öffnen sind wie leerstellen. zwischen knie, tür, schüssel fällt aus allem kurz der sinn.
verspätung. ich sehe dir beim schreiben und überlegen zu. online. schreibt. online. schreibt schreibt schreibt. ich möchte dir zusehen, einen moment nur augen sein, während du neben mir lebst.
in der sechszehnten reihe übe ich platz einnehmen und öffne die knie.
ich komme an und laufe nicht weg. ein teil hat angst, der andere hat es vergessen und dreht die heizung auf.
im koffer kugelt noch der apfel vom hinflug. ich bin wieder da.

Misteln

Misteln sind sich selber zu viel. Sie töten ihren Baum, aus Überschwang.
Manchmal habe ich Angst vor meinen eigenen Misteln.
Ästen mit Mistelbefall sollte ins gesunde Holz gesägt werden.
Angst mir selber ins Fleisch zu graben, einen Meter zu tief.
Damit kann die Ausbreitung der Pflanze in der Regel gestoppt werden.
Bis in luftleere Ebenen.
Das geht natürlich nur, wenn der Baum im Außenbereich befallen ist. Die Maßnahme hilft dem Baum, besser damit klarzukommen.
Vielleicht sind die Misteln aber auch meine Maßnahme.

Rotwein wie nasser Sand

Ich trinke Rotwein aus dem Kühlschrank. Er erinnert mich an Salat. Kalt und sauer auf müden Magen. Der Teebeutel von heute morgen schläft in der Tasse am Küchentisch ein. Meine Beine liegen quer darunter, die Fersen auf dem nächsten Stuhl. Im Fenster spiegelt sich mein Abwasch, das Licht ist auf volle Lautstärke, damit wenigstens die Nachbarn mich sehen und ich weiß, dass ich hier bin. Zwischen Sprachnachrichten und einer ganz ganztägig geschlossenen Tür verläuft die Grenze der Einsamkeit und heute kippt sie um wie nasser Sand. Die Krümmel knirschen zwischen Zähnen und Zunge.
58. 59. 18:00 legitimiert Abendessen. 15 Minuten später ist der Tag fertig aufgefädelt, weil nichts mehr fehlt bis morgen kommt. Ich trinke noch einen Schluck und schließe die Vorhänge, genug existiert für heute.

Du willst das

Du willst das Patriarchat smashen baby
Stickst es dir rosa auf die Brust
Trinkst Kaffee wo Worte fehlen
und klebst die Wunden mit Glitzer.
Aber baby
bei dir hängt Schiele an der Wand
Nachts tinderst du dich zu Anerkennung
und der rosa Faden is sponsert by Papi
Lass uns smashen baby
und fang mit schreien an
nein nein du kannst dich nicht da hin setzten
Spread in der Bim bis alle bis in die Speiseröhre sehen können
Schiele is next
der hängt schon schief.

Vergessen

Sie hatte so kleine Blätter mit rosa Rand, deshalb habe ich sie gekauft. Ich war auf dem Weg zur Therapie. Das muss im frühen Sommer gewesen sein. Ich nahm sie mit nach Hause und lies sie dort, auch als es nicht mehr mein Zuhause war. Es gibt nicht wirklich ein Wort für diese Tätigkeit. Für das nach Hause kommen, wenn man nicht mehr zuhause lebt. Nicht mal einandereswortfür.de liefert da etwas. Jedes mal sah ich sie auf der Küchenplatte stehen. Wenn ich besuchte, visitierte, frequentierte. Sie war da. Irgendwann nahm ich sie mit. Vielleicht hat sie mir auch jemand mitgenommen. Jedenfalls stand sie dann bei mir auch erst in der Küche. Irgendwann fiel mir auf, dass sie klein genug für diesem einen Topf mit dem Gesicht war und ich setzte sie hinein. Weil sie so klein war, konnte sie nur wenig Wasser halten und ich musste sie oft gießen. Dann rann es immer aus dem kleinen Topf in den Übertopf. Manchmal lehrte ich ihn gleich aus, manchmal hatte ich zu wenig Kraft. Wochen später vergas ich sie und mich ein paar Tage zu lange. Vertrocknet hielt ich sie unter den Wasserhahn und sah dem Wasser beim Durchweichen zu. Ich ließ sie dann wieder in der Küche stehen. Ein paar Tage kam wieder das Vergessen. Danach wollte ich sie zurück stellen. Sie war immer noch ganz feucht. Unter ihren Blättern, in der nassen Erde hatte es zu schimmeln angefangen. Ich ließ sie noch ein paar Tage in der Küche stehen. Das Vergessen war diesmal schwerer.

Weihnachten ist wie eine Urinprobe

Ich kann den Schnee nicht riechen. Er ist einfach nur da. Genauso da wie ein Straßenschild, nicht mehr da als das.
Gestern habe ich noch Weihnachtskarten gedruckt. Jetzt stehe ich vor dem Fenster und sehe meinem Hund zu, wie er Krähen beobachtet. Ich überlege, ob man Lasagne zu Weihnachten kochen könnte. Hört sich irgendwie falsch an. Vielleicht sage ich Weihnachten auch ab. Ist aber schwer irgendwie.
Ich glaube, Schnee hat gar keinen Geruch, das ist nur im Kopf. Und aus meinem ist er rausgefallen.
Weihnachten kann ich nicht sehr gut. Dieses Freuen, das klappt einfach nicht so zack bums. Mit jedem Punkt auf der Wunschliste muss ich ein Lächeln mehr üben. Es ist ein bisschen so wie eine Urinprobe. Dieser Stress zu performen. Weihnachten ist wie eine Urinprobe mit Zusehern und du musst treffen und glücklich dabei sein. Am besten du postest das dann noch irgendwo. Vielleicht mach ich doch keine Lasagne.

Suppe ist einfach

Ich weiß nicht mehr wann ich aufgegeben habe.
Es muss irgendwann zwischen zwei Suppen passiert sein. Es gibt wenig, was ich langweiliger finde als klare Brühe, aber aus Einfachheit habe ich aufgehört, das meiner Mutter zu sagen und einfach gelöffelt.
Viel habe ich gelöffelt.
So aus der Einfachheit heraus.
Richtig gut geworden bin ich, im einfach sein.
Ich weiß nicht mehr wann ich aufgegeben habe.
Vielleicht hat dazu auch das Gegebene zum Auf gefehlt.