Atmet und schläft in Wien. Arbeitet ebenda auch manchmal. An Illustrationen, Fisimatenten oder daran endlich die richtige Müllsack Größe zu kaufen. Macht manchen Sorgen und sich eine große Freude mit dem Studium der Sprachkunst. Schreibt über Fliederlila, Stromausfälle und Zitronenschaum. Irgendwas im Internet, ihre Oma ist sich da nicht so sicher, unter urbananouk.com. Mag Pfirsiche, aber nur die flachen.

Alle Artikel von Anouk Doujak

Die Seitenklänge der Wettlaufalleen

Ich lasse meine Gedanken kühlatmend aus.
Heißgelaufene Leben hetzten der Zeit durch Wettlaufalleen nach.
Du blickst mich an,
doch ich sehe nur fallende Blätter.
Die Füße im Beton,
die Organe tanzend gegen den Brustkorb.
Das Gesicht langsam in deines gehoben,
höre ich Seitenklänge in deinen Augen,
die ich mir nie erhofft –
zwischen Halsbeuge und Herbst.

Inspiriert von „Nasser Abend“ von Egon Schiele

Du schreibst mir über die Stirn

was schreibst du mir über die stirn und welche blicke werfe ich mir selber über, was machen wir fest an dem bisschen haut, fasern, knochen?
welche bedeutung heften wir der steigung der nase, dem durchmesser der ohren an?
bin das ich, das gesicht in deinen händen oder bin ich vielmehr die worte unter deinen fingern?
und wenn ich mich immer über mein gesagtes, gedachtes validiere, was braucht es um sich selber einfach mal stehen zu lassen unter den virtuellen blicken fremder und nicht fremder und unter den streifenden augen der realität?
steht es kopf gegen wort und wieso versuche ich diese aufzuwiegen?
steht zwischen körper und gedanke ein oder oder ein mit?
auf wie viel verzichten wir für zentimeter und gramm minus minus minus und ergibt in diesem fall minus und minus plus oder einfach nur nichts?
müssen wir außen weniger sein, damit das, was aus uns bricht, das gesagte mehr gewichtet wird?
wollen wir zahlen und formen ihre prominenz weiterhin gewähren?
wenn du all dein außen subtrahierst, wie viel gramm liegt dann noch in deinem brustkorb und wie viel hinter deiner stirn?

Ich seh mich in dir. Nicht mehr.

und manchmal musst du in ein alt bekanntes jetzt fremdes gesicht sehen, um dein eigenes zu erkennen. um dir endlich zuzugestehen, ich muss das ich, was ich mit dir gelebt habe nicht mehr sein. und nicht nur das, ich muss meine meine person von damals, nicht mehr anziehen wie eine strumpfhose, nur weil deine augen und worte mich streifen.
ich kann das jetzt sein und das kann auch bedeuten, dass ich dich hier nicht mehr mag, aber mich dafür ein stückchen mehr.
sorry not sorry.

Zitronenpresse, Flusen und ein Gefühl vom Ankommen

die zitronenpresse dort, die flusen unter dem sofa und der kleine orange fleck darauf und da drüben, da drüben die kehrschaufel da, das ist alles meins.
das hängt jetzt an mir dran und mein leben und ich, wir ziehen damit bahnen.
die dunkelgrüne farbe, das ist meine persönlichkeit, die ich da gegen die wand geklatscht habe und die bilder, ich drehe den kopf, das sind meine gedanken, die da hängen und du sitzt auf meinen sehnsüchten, ja, dem kupferfarben kissen hier.
weißt du, ich kann jetzt tanzen um null uhr dreiunddreißig und joghurt mit erdnussbutter und schokolade essen, was sich eklig anhört und vielleicht auch bisschen eklig, aber auch bisschen gut ist.
niemand fragt nach meinen tag, keiner hört meine leisen füße nachts tapsen.
und dich, dich gibt es gar nicht, aber ich, ich bin jetzt mein zuhause. vielleicht trieft das von kitsch, aber ich bin mein zuhause.
und die erstaunliche entdeckung, dass die grillen auch in der stadt zirpen, die teile ich nur mit mir und manchmal ist das einsam.
aber wenn ich nach hause komme, dann läuft meine musik und du weißt es nicht, aber ich weiß, dass ich mein zuhause bin. und das lässt mich endlich wieder groß atmen.

Flussperspektive

das leben lebt sich manchmal von selbst vor sich hin. ich stehe darin, wie in einem fluss und es plätschert schneller als ich zuordnen kann, auf grund welches steinchens. und dann sehe ich meine entscheidungen um die kurven fließen, bevor ich fühlen kann was sich dahinter verbirgt.
manchmal bekomme ich kalte füße, aber bis es in meinem kopf ankommt, stehe ich schon knietief drin und sobald mein herz schwimmt, kann der kopf sowieso nur noch folgen.
das unaufhörliche fließen lässt mich schwanken zwischen angst und glück, denn manchmal würde ich gerne wieder mal in ruhe atmen, aber so wie die kälte den atmen nimmt, folgt darauf der nächste große atemzug.
ich könnte jetzt etwas von mit dem fluss schwimmen und springen erzählen, aber im grunde werden wir doch alle nass, mal bis zum knöchel, mal bis zur nase, vielleicht schwappt auch mal alles über, aber wir sind da, irgendwo zwischen einer rechts und linkskurve.

Reiskörner, fliegt

das wasser fliegt wie reiskörner durch die luft, ich bemerke das zum ersten mal, obwohl ich nicht mal darauf gewartet habe. gewartet wie auf so viele andere dinge, die nun stück für stück von ungreifbarem zu realität wechseln. und mit der zeit wird dies ungreifbare, was jahre lang nur in die zukunft gemalt war, vergangenheit. nach all dem hinfiebern ist es aus dem jetzt gegriffen, für immer vergangen.
manchmal fühlt es sich so an, als gäbe es einen stapel für die dinge, auf die ich warte sie zu erleben und einen stapel für die gelebten. und mit jeder seite, die stapel wechselt, fällt mir auf, das wars jetzt. ich kann diese seite, dieses erlebnis jetzt nicht mehr neu schreiben. ich kann nicht mehr das erste mal alleine autofahren oder den schlüssel zur wohnung umdrehen. all diese ersten male habe ich nun auf meine art beschrieben und festgenagelt, so wie sie waren.
plötzlich scheint das warten nicht mehr zum nervösen sesselwippen, sondern wie das leben selber.
ist das leben denn eine jagd auf neues?
stimmt es denn, dass das leben immer schneller fliegt, weil wir weniger zum ersten mal tun? und gibt es einen moment, in dem wir die jadg aufgeben und nur noch anderen dabei zusehen? bekommen wir kinder, um alles nochmal neu zu erleben?
vielleicht ist aber neu ja auch kein erstrebenswertes kriterium.
vielleicht leben wir ja in kreisen und, wenn einer abgearbeitet ist, dann beginnt der nächste kreis der neuanfänge.
und vielleicht ist es ja gar nicht beängstigend, dass uns das neu irgendwann ausgeht, sondern, dass am ende des lebens noch so viel neu übrig bleibt. dass der eine stapel nie ganz leer wird und viele seiten unbeschrieben.
vielleicht muss man sich darum auch gar nicht sorgen, weil neben den großen ersten malen, auch springende reiskörner im kleingedruckten der seiten stehen und das mindestens so schön ist.

Von jungen Herzen

EINS

manche tage sind wie warme wolle, nicht die kratzige, sondern die feine, teure.
in der wollenen wolke purzelt man herum und vieles ist gleichzeitig so klar und unbedeutsam.
es sind tage wie sanftes gitarren zupfen mit leisen oh‘s und ah‘s.
man ist an einem ort, der immer wie der falsche schimmerte und doch plötzlich der einzige ist, der sinn ergibt.

ZWEI

da laufen ameisen an meiner magenwand.
ihre kleinen tritte senden impulse durch den ganzen körper, ich zittere innerlich, doch nicht auf die schmerzlich krampfige art, sondern loslösend.
alles fließt schneller und löst ein unbändiges gefühl des lebens aus. der jetzige moment kribbelt unter der haut, der kopf wird vom körper aus den sorgen gerissen und hochgeschraubt bis er alles erblicken kann, es gibt nur jetzt.
vieles ist plötzlich so klar, wenn auch dunstig. aber vielleicht ist es ja gerade dieser feiner nebel, den es braucht um zu leben, zu überleben.

DREI

und manche tage sind dann die körperliche intensität. alles klopft gegen die haut, von innen heraus.
es schwimmt eine süß atzende flüssigkeit durch den magen und das blut.
die seele wühlt sich durch die innereien.
alles ist so voll, voll von dir, das nur ein bissen, ein ton mich zum bersten bringt.
du bist so in mir ausgebreitet, ohne dass du es weißt, dass ich teile von mir flüchten lassen muss, um platz für dich zu räumen.
und das tue ich mit wohlwollender hast,
werfe unüberlegt alles über bord, dass uns nicht koalieren lässt.
denn das steht groß geschrieben auf meiner inneren stirn,
das liegt über meiner makula, so dass jeder blick durch das netz von dir fallen muss.
meine haut ist elektrisch geladen und knistert. sie knackst bei jeden ton, bei jeden warmen duft lässt sie mich zitternd zurück.
ich möchte mich übergeben, übergeben um meinen körper einen moment der ruhe zu geben, die du mir raubst.
und aus angst dich aus mir fließen zu sehen, halte ich den mund geschlossen.
ich male ein bild von dir, mit pulsierendem blut, tief in mir, dass du nie sehen darfst, ohne dich wie der herr der gipfel zu fühlen.
und du, lässt mich immer strahlendere farben wählen, pigmente pur.
ich warte auf deinen patzer, einen fleck der einen see voller unmöglichkeiten malt.

VIER

in mir schreien worte danach ausgelassen zu werden, dich auf papier zu schreiben. dich in dickes weiches papier mit feuchter tinte zu gravieren, bis du verwischt über seiten vor mir liegst.

FÜNF

es ist wie mit nadeln gestochen zu werden, aber zu wissen, das diese die richtigen stellen treffen und nicht schmerzen.
nur sie wieder rauszuziehen, das tut weh.
das hinterlässt einen körper voll rotem muster, mit den kleinen blutstropfen verwindet ein quantel hoffnung, die erst zurückgewonnen werden will.

Angeklopft, die Zukunft war nicht da.

und ich blicke auf das braune glas, als könnte es mir etwas verraten. als wäre es der spiegel, den ich schon lange suche. am liebsten möchte ich daran klopfen und fragen ob die zukunft zuhause ist, weil ich hätte da eine frage. eine frage mit tausend weggabelungen und kopfzerbrechen.
noch ist nicht herbst und ich nicht bereit all die möglichkeiten zu stampfen, wie die orangenen haufen am gehsteigrand.
aber da blickt nur das leben stumpf zurück, die blumen, nichtssagend spöttisch.
was mach ich jetzt nur, will ich schreien, aber das dicke braune glas schluckt die antwort. nur mache ich jetzt, mache ich jetzt, mache ich jetzt hallt es leise. also mache ich das ‚jetzt‘ und das reiht sich dann, jetzt an jetzt an jetzt und ein zickzack von weg in die zukunft wächst. und plötzlich sind sie blumen nicht mehr spöttisch, sondern einfach gelb und blumen und ich bin ich, auch ohne spiegel und ziel.

Existenz in sattem gelb

eigentlich bin ich ja nur hergefahren, weil ich sonst nichts besseres zutun hatte und und jetzt ist es ganz schön schön, so hier und jetzt.
im buchladen schlendere ich herum, drehe buchrücken, kaufe eine kitschige guilty pleasure und warum denn eigentlich guilty? nun, man hat ja ansprüche an sich. und dann noch ein zweites, damit ich mich unter den blicken der verkäuferin nicht allzu flach fühle, so richtig was mit 19hundertsoundso, harter stoff eben, nicht nur das cover. und vielleicht ist das ja auch ziemlich doof, wahrscheinlich denkt sich die verkäuferin nichts und alles ist wieder in meinem kopf und ich springe nur wieder mit mir selber so hart um.
ich sitze draußen, an einem tisch, bei dessen größe ich mich schon an schuldgefühlen hindern muss, weil ich ihn so ganz allein okkupiere. aber vielleicht passt das ja auch zur situation, vielleicht muss ich einfach lernen meinen platz einzunehmen, ja mir meinen platz in der welt zuzugestehen.
ich trinke etwas, was ich nie mochte, es schmeckt als würde ich in eine wiese beißen, aber irgendwas hat geklickt und ich finde das jetzt gut und nicht mehr zum kopfschütteln. vielleicht sind die sieben jahre rum, in denen sich die geschlacksnerven erneuern, zumindest hat mir das mal jemand erzählt oder vielleicht ist geschmack dann doch mehr im kopf als auf der zunge.
während ich mit seiten raschle, bemühe ich mich langsame schlucke zu trinken, damit ich meine existenz hier im café rechtfertige mit dem stand der flüssigkeit in meinen glas. ich überlege, ob das jetzt auch nur in wien so sein kann, dass ich hier für wenige euros so lang sitze und dann denke ich mir, dass ich endlich weniger überlegen und mehr sitzen sollte, aber allein das ist ja schon wieder denken. sonst ist trinken aber eher eine sache von erledigen statt langsamkeit bei mir und viel zu oft vergesse ich es auch. vielleicht kann man sich ihn ja antrainieren, den durst auf trinken und vielleicht auch auf vieles andere.
der himmel ist sehr blau und man kann sogar große stücke davon sehen, mehr als in meiner gasse, aber weniger als zuhause. die wärme liegt ganz nah auf der haut und traure ihr schon nach, was ja an sich schwachsinn ist, aber das tue ich ja jedes jahr und never change a running system, das sagt man doch so.
neben mir unterhalten sich zwei frauen, die eine hat ihre roten schuhe neben dem tisch abgestellt und ihre beine um einander gerankt, ich kenne diesen freiheitsdrang der zehen. zweimal blicke ich zu lange hinüber und werde bemerkt, dann blicke ich demonstrativ nach links, versuche zu spüren, ob sie wieder wegblickt und lese dann weiter, im buch nicht in ihren gesten.
seit langem lese ich wieder über kapitel und kapitel hinüber, das buch ist so ganz anders als gedacht, aber es fliegt soviel leichter voran, weil es nicht mit schwere oder sinn behaftet ist.
dieses gemurmel, wenn gespräche verschwimmen, aber noch nicht zum lärm verklingen, ist wie sommer im ohr. manchmal bleibe ich dann doch hängen und gesichter laden sich mit stimmen und worten auf, bevor sie wieder verschwinden. dann muss ich heimlich zurück blättern, weil ich wieder eine seite bloß mit den augen und ohne hirn gelesen habe.
als ich meine zeit nun definitiv abgesessen habe und noch mal in die wiese beißen, das wäre dann doch zu viel, vielleicht ja in sieben jahren dann, zahle ich und gehe weiter.
der sommer will anscheinend auch seinen platz in der welt beweisen, seine existenzberechtigung und bestellt zwar kein getränk, aber setzt sich ganz einfach sattgelb in die straßen. kitschig ist das, aber dafür bin ich ja heimlich anfällig.
auf dem heimweg nehme ich die kurzweilige blindheit für das letzte warm im gesicht in kauf und lasse mich vom sommer blenden und denke für einen kurzen moment an nichts.