Kategorie: Gedanken

Herbstkreislauf

ich habe heute frieden mit dem herbst geschlossen. die sommerextase ist vorbei, die im nachhinein immer so viel bunter war, als sie im moment schien.
die gemütlichkeit schleicht sich ein. das essen liegt warm im magen und die luft kühl auf der haut. abends ist es dunkel und die die straßen schreien nicht mehr danach besucht zu werden. alles ist so dumpf, wie nach einem krachend lauten konzert, aber das hat auch etwas wolkiges, einlullendes. der blick fällt endlich wieder nach innen, die beine schweben das erste mal wieder in warmen wasser, das knistert und viel zu süß riecht.
ohne die hitze scheinen die gedanken schneller zu rennen, ideen bauen sich auf und es ist nicht so bedeutsam, ob sie alle realisiert werden, denn schon allein das gefühl, die lust wieder einmal etwas zu schaffen, statt zu konsumieren klopft ganz warm unter den schlüsselbeinen.
ich falte meine pullis neu und das ist schon ganz okay so. kreise sind nun mal rollend und sie aufzuhalten, ach, das überrollt einen nur, also bleibt nichts als sie laufen zu lassen. hallo herbst.

Wien, lass mich von deiner Gemütlichkeit atmen

Wiener Stadtgeflüster – auch dieser Text entstand bei einem Schreibspaziergang von Writing Wilderness.
Diesmal, am Fuße der Karlskirche, Wien zeigte sich in melodramatischem Sonnenuntergang, hielt uns Anna an der Stadt einen Brief zu schreiben.
Also tat ich das, mit dem abendlichen Glockenläuten im Ohr.

Wien, du gespaltene Persönlichkeit zwischen Schlagobershaube und Floridsdorf.
Lange hatte ich das Gefühl, du leutest deine triumphalen Glocken nicht für mich und jetzt, am Ausläufer der Karlskirche, schleicht sich ein vielleicht ein.
Wien, du bist mein Zuhause, das ich erkenne, wenn ich weg war.
Ich hab mir deine Ecken ins Herz gelaufen und doch scheint noch so viel unter meinen Füßen verborgen. Es fühlt sich an, als könnte ich deinen Grund nie greifen, du formst nicht meine Zunge und doch bist du alles an Erinnerung und Geborgenheit was ich habe.
Neu erleben werde ich dich, neu umrunden, Gedenken verstreuen und Geschichten in die Straßen laufen.
Vielleicht werde ich dir einmal untreu, um es mir zu bleiben.
Vielleicht spuckst du mich auch einmal aus deinen Mauern. Doch was bleibt ist das Heute, das Morgen.
Sei ned goschert, lass mich wachsen in und aus dir. Ich hebe doch ein Stückchen Liebe am Boden meines Brustkorbs für dich, nicht größer als a Sahneschnitte, aber weißt eh, die ist deftig genug. Ich halte dich in Aug und Ohr.
Du bist Grund, aber vielleicht auch nur Boden für Zukunft, denn ich bin ich und du du, die Fäden dazwischen dünn und  doch eisern mit Sprungfeder in der Hinterhand.
Heimvorteil und Auslandsspiel in einem, vereint unter Prunk und Beton.
Lass mich von deiner Gemütlichkeit atmen, aber lass mich nicht erschweren unter deiner Last, die nicht die meine ist. Die trage ich selber im Gepäck, doch vielleicht lass ich es stehen, bis jemand seines daneben stellt und wir gemeinsam rennen ins Neue und auch, wenn ich es selber bin, die mir die Hand reicht. //

Als passender Soundtrack würde sich hier Der letzte Kaiser von Wiener Blond anbieten.
Was würdest du gerne deiner Stadt mal vor die Füße werfen und aus dem Herz kippen?

Der Zeit ihre Kunst, der Kunst ihre Freiheit

Wiener Stadtgeflüster – letzte Woche habe ich mit einer unglaublich warmherzigen Gruppe an Schreibinteressierten an einem von Annas Schreibspaziergängen teilgenommen. Es ist immer schön, wenn aus virtuelle Bänden, reale Umarmungen und zusammen lachen werden.
Gemeinsam sind wir von der Spittelberggasse zur Karlskirche spaziert und haben uns Anhand von Annas Aufgaben der Stadt schriftlich gewidmet. Sie ist nicht nur eine gute Freundin, sondern macht ihre Sache auch besonders gut, seht doch mal selbst unter WritingWilderness.

Ein flüchtiger Blick in gold, viel mehr ist die Secession über die Jahre für mich als Wienerin nicht mehr geblieben. Sich an ihrem Fuße niederzulassen, den Blick zu heben und die Inschrift zu lesen, war dadurch besonders. Als Anna uns aufforderte, mit der Inschrift als Auslöser 10 Minuten rapid writing zu betreiben, 10 Minuten den Stift nicht abzusetzten, entstand bei mir dieser Text.

Der Zeit ihre Kunst, der Kunst ihre Freiheit.
Der Satz sitzt zwischen Herz und Magen, tief, bis in den Bauch. Die Zeit der Kunst drängt sich momentan auf und doch die Angst, dass fehlende Freiheit mir bald die Kunst wieder raubt.
Ich möchte schreiben, schreiben, schreiben.
Ich will Freiheit auf weiß und Struktur im Tag – das wirkt wie hell und dunkel und alles was bleibt, ist Nebel.
Soll die Zeit der Kunst gewidmet werden oder bedeutet es doch der Kunst die Freiheit zu lassen, sie die Wochenendstunden und nicht dem grellen Alltag auszusetzten, der alles auslöschen könnte?
Ist es die Angst, die mich aufhält, wo sitzt der Knoten und wie löse ich ihn? Was passiert, wenn ich ihn löse und tief falle, werde ich liegen bleiben?
Wird der Stift für immer dort am Boden bleiben, wenn ich mich aufrapple und zweite Stellen anlaufe?
Finde ich das Glück wo anders, sitzt dann die Schuld der Leugnung zwischen den Fingern?
Ich will schreiben, schreiben, schreiben, aber was, wenn ich das vergesse? Wenn es mir zwischen Schleudergang und Einkaufssackerl verloren geht, ich es versehentlich mit dem Müll raus bringe? Will ich das und wie zerlaufen Wünsche, was ist Kern und was nur Schicht?
Kann ich bestehen zwischen Papier und Kritik oder brauche ich die Zahlen, die mich und meine Existenz vor dir festhalten.
Würde ich mich nur stoßen an eckigen 7 und verkriechen im Bauch der 3?
Und wenn ich nicht mehr anschreibe, für das jetzt im übermorgen, wo bleibt dann das gestern, wo das ich im ich? //

Loszulassen und einfach zu schreiben, kann wunderbar befreien. Einfach mal Timer stellen und den Stift fliegen lassen – probiere es doch einmal!

Du schreibst mir über die Stirn

was schreibst du mir über die stirn und welche blicke werfe ich mir selber über, was machen wir fest an dem bisschen haut, fasern, knochen?
welche bedeutung heften wir der steigung der nase, dem durchmesser der ohren an?
bin das ich, das gesicht in deinen händen oder bin ich vielmehr die worte unter deinen fingern?
und wenn ich mich immer über mein gesagtes, gedachtes validiere, was braucht es um sich selber einfach mal stehen zu lassen unter den virtuellen blicken fremder und nicht fremder und unter den streifenden augen der realität?
steht es kopf gegen wort und wieso versuche ich diese aufzuwiegen?
steht zwischen körper und gedanke ein oder oder ein mit?
auf wie viel verzichten wir für zentimeter und gramm minus minus minus und ergibt in diesem fall minus und minus plus oder einfach nur nichts?
müssen wir außen weniger sein, damit das, was aus uns bricht, das gesagte mehr gewichtet wird?
wollen wir zahlen und formen ihre prominenz weiterhin gewähren?
wenn du all dein außen subtrahierst, wie viel gramm liegt dann noch in deinem brustkorb und wie viel hinter deiner stirn?

Ich seh mich in dir. Nicht mehr.

und manchmal musst du in ein alt bekanntes jetzt fremdes gesicht sehen, um dein eigenes zu erkennen. um dir endlich zuzugestehen, ich muss das ich, was ich mit dir gelebt habe nicht mehr sein. und nicht nur das, ich muss meine meine person von damals, nicht mehr anziehen wie eine strumpfhose, nur weil deine augen und worte mich streifen.
ich kann das jetzt sein und das kann auch bedeuten, dass ich dich hier nicht mehr mag, aber mich dafür ein stückchen mehr.
sorry not sorry.

Zitronenpresse, Flusen und ein Gefühl vom Ankommen

die zitronenpresse dort, die flusen unter dem sofa und der kleine orange fleck darauf und da drüben, da drüben die kehrschaufel da, das ist alles meins.
das hängt jetzt an mir dran und mein leben und ich, wir ziehen damit bahnen.
die dunkelgrüne farbe, das ist meine persönlichkeit, die ich da gegen die wand geklatscht habe und die bilder, ich drehe den kopf, das sind meine gedanken, die da hängen und du sitzt auf meinen sehnsüchten, ja, dem kupferfarben kissen hier.
weißt du, ich kann jetzt tanzen um null uhr dreiunddreißig und joghurt mit erdnussbutter und schokolade essen, was sich eklig anhört und vielleicht auch bisschen eklig, aber auch bisschen gut ist.
niemand fragt nach meinen tag, keiner hört meine leisen füße nachts tapsen.
und dich, dich gibt es gar nicht, aber ich, ich bin jetzt mein zuhause. vielleicht trieft das von kitsch, aber ich bin mein zuhause.
und die erstaunliche entdeckung, dass die grillen auch in der stadt zirpen, die teile ich nur mit mir und manchmal ist das einsam.
aber wenn ich nach hause komme, dann läuft meine musik und du weißt es nicht, aber ich weiß, dass ich mein zuhause bin. und das lässt mich endlich wieder groß atmen.

Flussperspektive

das leben lebt sich manchmal von selbst vor sich hin. ich stehe darin, wie in einem fluss und es plätschert schneller als ich zuordnen kann, auf grund welches steinchens. und dann sehe ich meine entscheidungen um die kurven fließen, bevor ich fühlen kann was sich dahinter verbirgt.
manchmal bekomme ich kalte füße, aber bis es in meinem kopf ankommt, stehe ich schon knietief drin und sobald mein herz schwimmt, kann der kopf sowieso nur noch folgen.
das unaufhörliche fließen lässt mich schwanken zwischen angst und glück, denn manchmal würde ich gerne wieder mal in ruhe atmen, aber so wie die kälte den atmen nimmt, folgt darauf der nächste große atemzug.
ich könnte jetzt etwas von mit dem fluss schwimmen und springen erzählen, aber im grunde werden wir doch alle nass, mal bis zum knöchel, mal bis zur nase, vielleicht schwappt auch mal alles über, aber wir sind da, irgendwo zwischen einer rechts und linkskurve.

Reiskörner, fliegt

das wasser fliegt wie reiskörner durch die luft, ich bemerke das zum ersten mal, obwohl ich nicht mal darauf gewartet habe. gewartet wie auf so viele andere dinge, die nun stück für stück von ungreifbarem zu realität wechseln. und mit der zeit wird dies ungreifbare, was jahre lang nur in die zukunft gemalt war, vergangenheit. nach all dem hinfiebern ist es aus dem jetzt gegriffen, für immer vergangen.
manchmal fühlt es sich so an, als gäbe es einen stapel für die dinge, auf die ich warte sie zu erleben und einen stapel für die gelebten. und mit jeder seite, die stapel wechselt, fällt mir auf, das wars jetzt. ich kann diese seite, dieses erlebnis jetzt nicht mehr neu schreiben. ich kann nicht mehr das erste mal alleine autofahren oder den schlüssel zur wohnung umdrehen. all diese ersten male habe ich nun auf meine art beschrieben und festgenagelt, so wie sie waren.
plötzlich scheint das warten nicht mehr zum nervösen sesselwippen, sondern wie das leben selber.
ist das leben denn eine jagd auf neues?
stimmt es denn, dass das leben immer schneller fliegt, weil wir weniger zum ersten mal tun? und gibt es einen moment, in dem wir die jadg aufgeben und nur noch anderen dabei zusehen? bekommen wir kinder, um alles nochmal neu zu erleben?
vielleicht ist aber neu ja auch kein erstrebenswertes kriterium.
vielleicht leben wir ja in kreisen und, wenn einer abgearbeitet ist, dann beginnt der nächste kreis der neuanfänge.
und vielleicht ist es ja gar nicht beängstigend, dass uns das neu irgendwann ausgeht, sondern, dass am ende des lebens noch so viel neu übrig bleibt. dass der eine stapel nie ganz leer wird und viele seiten unbeschrieben.
vielleicht muss man sich darum auch gar nicht sorgen, weil neben den großen ersten malen, auch springende reiskörner im kleingedruckten der seiten stehen und das mindestens so schön ist.

Von jungen Herzen

EINS

manche tage sind wie warme wolle, nicht die kratzige, sondern die feine, teure.
in der wollenen wolke purzelt man herum und vieles ist gleichzeitig so klar und unbedeutsam.
es sind tage wie sanftes gitarren zupfen mit leisen oh‘s und ah‘s.
man ist an einem ort, der immer wie der falsche schimmerte und doch plötzlich der einzige ist, der sinn ergibt.

ZWEI

da laufen ameisen an meiner magenwand.
ihre kleinen tritte senden impulse durch den ganzen körper, ich zittere innerlich, doch nicht auf die schmerzlich krampfige art, sondern loslösend.
alles fließt schneller und löst ein unbändiges gefühl des lebens aus. der jetzige moment kribbelt unter der haut, der kopf wird vom körper aus den sorgen gerissen und hochgeschraubt bis er alles erblicken kann, es gibt nur jetzt.
vieles ist plötzlich so klar, wenn auch dunstig. aber vielleicht ist es ja gerade dieser feiner nebel, den es braucht um zu leben, zu überleben.

DREI

und manche tage sind dann die körperliche intensität. alles klopft gegen die haut, von innen heraus.
es schwimmt eine süß atzende flüssigkeit durch den magen und das blut.
die seele wühlt sich durch die innereien.
alles ist so voll, voll von dir, das nur ein bissen, ein ton mich zum bersten bringt.
du bist so in mir ausgebreitet, ohne dass du es weißt, dass ich teile von mir flüchten lassen muss, um platz für dich zu räumen.
und das tue ich mit wohlwollender hast,
werfe unüberlegt alles über bord, dass uns nicht koalieren lässt.
denn das steht groß geschrieben auf meiner inneren stirn,
das liegt über meiner makula, so dass jeder blick durch das netz von dir fallen muss.
meine haut ist elektrisch geladen und knistert. sie knackst bei jeden ton, bei jeden warmen duft lässt sie mich zitternd zurück.
ich möchte mich übergeben, übergeben um meinen körper einen moment der ruhe zu geben, die du mir raubst.
und aus angst dich aus mir fließen zu sehen, halte ich den mund geschlossen.
ich male ein bild von dir, mit pulsierendem blut, tief in mir, dass du nie sehen darfst, ohne dich wie der herr der gipfel zu fühlen.
und du, lässt mich immer strahlendere farben wählen, pigmente pur.
ich warte auf deinen patzer, einen fleck der einen see voller unmöglichkeiten malt.

VIER

in mir schreien worte danach ausgelassen zu werden, dich auf papier zu schreiben. dich in dickes weiches papier mit feuchter tinte zu gravieren, bis du verwischt über seiten vor mir liegst.

FÜNF

es ist wie mit nadeln gestochen zu werden, aber zu wissen, das diese die richtigen stellen treffen und nicht schmerzen.
nur sie wieder rauszuziehen, das tut weh.
das hinterlässt einen körper voll rotem muster, mit den kleinen blutstropfen verwindet ein quantel hoffnung, die erst zurückgewonnen werden will.

Angeklopft, die Zukunft war nicht da.

und ich blicke auf das braune glas, als könnte es mir etwas verraten. als wäre es der spiegel, den ich schon lange suche. am liebsten möchte ich daran klopfen und fragen ob die zukunft zuhause ist, weil ich hätte da eine frage. eine frage mit tausend weggabelungen und kopfzerbrechen.
noch ist nicht herbst und ich nicht bereit all die möglichkeiten zu stampfen, wie die orangenen haufen am gehsteigrand.
aber da blickt nur das leben stumpf zurück, die blumen, nichtssagend spöttisch.
was mach ich jetzt nur, will ich schreien, aber das dicke braune glas schluckt die antwort. nur mache ich jetzt, mache ich jetzt, mache ich jetzt hallt es leise. also mache ich das ‚jetzt‘ und das reiht sich dann, jetzt an jetzt an jetzt und ein zickzack von weg in die zukunft wächst. und plötzlich sind sie blumen nicht mehr spöttisch, sondern einfach gelb und blumen und ich bin ich, auch ohne spiegel und ziel.